Ein geschichtsträchtiger Tag

NEUSTADT. – Der 1. Juli 2020 ist nicht nur für Neustadt ein denkwürdiger, ja geschichtsträchtiger Tag, er hat auch große Bedeutung für die Geschichte des Coburger Landes, des Freistaates Bayern und der Bundesrepublik Deutschland.

  • Zum 1. Juli 1920 kam der Freistaat Coburg zum Freistaat Bayern.
  • Am 1. Juli 1950 wurde dem Neustadter Ehrenbürger, Geheimrat Max Oscar Arnold, einer der eifrigsten Verfechter des Anschlusses Coburgs an den Freistaat Bayern, ein Denkmal auf dem Neustadter Karlsplatz (heute Arnoldplatz) gesetzt und am
  • 1. Juli 1990 wurde an der „Gebrannten Brücke“, zwischen Neustadt und Sonneberg-Hönbach gelegen, das „Abkommen über die Aufhebung der Personenkontrollen an den innerdeutschen Grenzen“ zwischen dem damaligen Innenminister der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Wolfgang Schäuble, und dem DDR-Innenminister Dr. Peter Michael Diestel abgeschlossen.

Der Anschluss Coburgs an Bayern
Grundlage für die Vereinigung des Freistaates Coburg mit dem Freistaat Bayern ist ein Staatsvertrag, der am 14. Februar 1920 zwischen beiden Staaten geschlossen wurde. Darin ist unter anderem Folgendes verankert:
„Die Regierungen der Freistaaten Bayern und Coburg sind in dem Bestreben, die zwischen beiden Ländern und ihrer Bevölkerung bestehenden Beziehungen in der Zusammengehörigkeit noch enger zu gestalten und die beiderseitigen gemeinsamen wirtschaftlichen und kulturellen Interessen zu pflegen und zu fördern, übereingekommen, einen Staatsvertrag wegen der Vereinigung der beiden Länder abzuschließen.“ Und in § 1 des Staatsvertrages ist festgeschrieben, dass „das Gebiet des Freistaates Coburg mit dem Gebiet des Freistaates Bayern zu einem einheitlichen Gebiet vereinigt wird“.

Vorausgegangen war eine Volksabstimmung am 30. November 1919, bei der die Bevölkerung des Freistaates Coburg über die Frage: „Soll Coburg den Gemeinschaftsvertrag der thüringischen Staaten beitreten?“ zu entscheiden hatte. Diese Frage konnten die Wähler mit einem eindeutigen „Ja“ oder „Nein“ beantworten, wobei ein „Nein“ einem Anschluss an Bayern entsprach. Der Neustadter Max Oscar Arnold, Vizepräsident in der Landesversammlung des Freistaates Coburg, setzte sich im Vorfeld der Entscheidungsfindung „pro oder contra einen Anschluss an Bayern oder Thüringen“ mit Vehemenz für einen Anschluss an den südlichen Freistaat ein. Er sah darin eine „große historische Stunde“ für seine Heimat; denn Bayern war für ihn der Ordnungsstaat, der, auf einer breiten wirtschaftlichen Grundlage ruhend, die Gewähr bot, dass die zahlreichen kulturellen Güter und Werte des Coburger Landes erhalten werden konnten. Um die Bevölkerung für sein Bemühen zu gewinnen, setzte er einzig und allein auf die Aufklärung durch Wort und Schrift. So sprach der Neustadter Landtagsabgeordnete in einer Versammlung am 21. November 1919 in der Coburger „Hofbräuhausbierhalle“, an der mehr als 2.000 Menschen teilnahmen, weshalb die Halle wegen Überfüllung geschlossen werden musste. Dabei betonte der Neustadter Fabrikant in einer packenden und temperamentvollen Rede vor allem die wirtschaftliche Notwendigkeit, die zu einem Anschluss an Bayern zwinge. Auch bei einer Wahlveranstaltung der „Allgemeinen Bürgervereinigung“ am 25. November 1919 vertrat Max Oscar Arnold redegewandt und mit Überzeugungskraft seine Meinung gegen alle seine Gegner, ferner auch am 26. November 1919, als er in der Festhalle der Coburger „Hofbräuhausbierhalle“ in einer Diskussionsrunde, veranstaltet vom Thüringer Agitationskomitee, seine Auffassung sehr eindringlich vertrat. Selbst noch am 29. November 1919 sprach er neben Staatsrat Franz Klingler bei einer öffentlichen Volksversammlung im Neustadter Schützensaal Jägersruh zu den Themen „Ein letztes Wort zur Anschlussfrage“ und „Warum unser Weg nach Süden führt.“ Dabei verstand es Arnold als glänzender Redner und leidenschaftlicher Kämpfer, wie schon in vorhergehenden Wahlversammlungen, die Teilnehmer für Bayern zu begeistern. Daneben schaltete Arnold in der Presse auf eigene Rechnung Anzeigen, in denen er seine Landsleute dazu aufrief: „Wer seine Heimat lieb hat, muss selbstverständlich für den Anschluss an Bayern eintreten, weil nur da die wirtschaftliche und kulturelle Zukunft des Coburger Landes sichergestellt ist.“ Für Arnold und seine Mitstreiter endete der Wahltag mit einem grandiosen Erfolg. 88,28 Prozent der Wähler hatten sich gegen einen Anschluss an Thüringen entschieden, was zur Vereinigung mit dem Freistaat Bayern zum 1. Juli 1920 führte. Der intensive Einsatz des großartigen Politikers hatte sich gelohnt!

Das Arnold-Denkmal
Zum 30. Jahrestag des Anschlusses des Coburger Landes an Bayern, am 1. Juli 1950, setzte die Stadt Neustadt dem Mann, der sich unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg mit ganzer Kraft für diesen Anschluss einsetzte, ein Denkmal: Max Oscar Arnold. Das Arnold-Denkmal wurde inmitten einer schmucken Grünanlage, die eingezäunt war, auf dem Karlsplatz (heute Arnoldplatz) errichtet. Das Denkmal war ein schöner Blickfang für alle, die den stark frequentierten Fußweg, der vom unteren „Sängershügel“ zur Lindenstraße hin führte, nutzten. Im Zuge einer Umgestaltung des gesamten Bereiches wurde es jedoch auf den heutigen Platz neben der VR-Bank versetzt. Allerdings würde das Arnold-Denkmal einen Standort verdienen, an dem es besser wahrgenommen werden könnte! Der im Jahre 1949 gegründete „Denkmalausschuss“ mit seinem Vorsitzenden Georg Langbein (Freund und Weggefährte Arnolds, Fabrikant, Neustadter Ehrenbürger) war der Meinung, dass bei der Gestaltung des Denkmals nicht unbedingt die Persönlichkeit Arnolds dargestellt werden muss, die damit geehrt werden soll. So wurde ein Sinnbild in Gestalt eines „Jünglings“ gewählt. Diese sollte Arnolds Eigenschaften, seine ganze Lebensweise zeigen. Das Sinnbild, auf einem Steinsockel stehende Bronzefigur, stellt einen Jüngling dar, der in der Hand einen Lorbeerkranz hält, Jugendfrische vermittelt und auf den Feuergeist und Tatendrang hinweist, mit dem Max Oscar Arnold seine Ziele verfolgte. Der Lorbeerkranz in der Hand des Jünglings deutet in schlichter Art den Sieg an, den er bei seinen Bemühungen um den Anschluss des Coburger Landes an Bayern errang.
Max Oscar Arnold und die Bevölkerung des Coburger Landes hatten 1919 natürlich noch nicht voraussehen können, welche Bedeutung und Auswirkung die Volksabstimmung vom 30. November 1919 später einmal haben wird. Die Frage bleibt, war es Glück oder Vorsehung? Die Tragweite der Abstimmung für die Coburger Bevölkerung wurde erst nach dem 2. Weltkrieg deutlich; denn ihr blieb die Eingliederung in die sowjetische Besatzungszone sowie in die ab 7. Oktober 1949 und bis zum 3. Oktober 1990 währende DDR erspart.

Abkommen über die Aufhebung der Personenkontrollen an den innerdeutschen Grenzen
Nach der unfassbaren „Wende“, ausgehend vom „Mauerfall“ am 9. November 1989 in Berlin, fiel auch zwischen dem thüringischen Sonneberg und dem bayerischen Neustadt am 12. November 1989 an der „Gebrannten Brücke“ der „Eiserne Vorhang“. In der Folgezeit überschlugen sich die Ereignisse förmlich. Noch vor der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 kam es am 1. Juli 1990 an der „Gebrannten Brücke“ zu einem bedeutsamen und für die Menschen wichtigen Ereignis: Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble (BRD) und DDR-Innenminister Dr. Peter Michael Diestel unterzeichneten in Gegenwart des damaligen bayerischen Innenministers Dr. Edmund Stoiber das „Abkommen über die Aufhebung der Personenkontrollen an den innerdeutschen Grenzen“. Aus ganz Deutschland waren rund 10.000 Menschen gekommen, um die Unterzeichnung hautnah mitzuerleben. Eine Vielzahl von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sowie aus Politik und Wirtschaft waren zugegen. Musikalisch ausgestaltet wurde das historische Ereignis von den Musikcorps des Bundesgrenzschutzes und des DDR-Grenzschutzes mit „Beethovens 9. Sinfonie“. Auf DDR-Seite machten viele Menschen ihren Unmut über das bisherige System in der DDR mit Spruchbändern kund. Außerdem demonstrierten Mitglieder des DDR-Grenzschutzbundes für ihre Rechte. Auf einem Spruchband war zu lesen: „ Erst 40 Jahre missbraucht und betrogen, in den letzten Wochen nur noch belogen.“ Für die Vertragsunterzeichnung musste ein großer Tisch organisiert werden. Doch woher auf die Schnelle? Man entsann sich auf den Stammtisch in der Arnoldhütte auf dem Neustadter Muppberg. Kurzerhand wurde er vom damaligen Hüttenwirt zur „Gebrannten Brücke“ transportiert. So hat dieser Tisch, was vielen Neustadtern gar nicht bekannt ist, durchaus eine gewisse „historische Bedeutung“ erlangt.

Dieter Seyfarth

Quellen:

  • Buch „Max Oscar Arnold – Leben und Wirken für das Coburger Land“ von Esther Reinhart
  • Band I und II „Geschichte der Stadt Neustadt b. Coburg im 20. Jahrhundert“ von Helmut Scheuerich
  • Buch „Max Oscar Arnold – ein Leben für die Heimat“ von Helmut Scheuerich
  • Stadtarchiv, alte Zeitungsbände und eigene Recherchen