„Kommunale Haushalte kommen an den Schmerzpunkt“

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Am 9. April 2024 kamen Oberbürgermeister und Bürgermeister Oberfrankens zur Bezirksversammlung nach Neustadt b. Coburg. Im Anschluss fand eine Pressekonferenz statt.

„Die Ausgaben der Kommunen steigen rapide und übermäßig. Die Rahmenbedingungen verschärfen sich enorm. Kommunale Haushalte rutschen vereinzelt bereits in bedrohliche Schieflagen. Inzwischen ist in vielen Städten und Gemeinden ein Schmerzpunkt erreicht. In einzelnen Städten müssen schon Haushaltssperren verhängt werden,“ sagt der Geschäftsführer des Bayerischen Städtetags, Bernd Buckenhofer. Auf den ersten Blick suggerieren die reinen Zahlen von Steueraufkommen und Finanzausgleichsvolumen eine stabile Finanzlage. Doch auf den zweiten genaueren Blick zeigt sich, dass die Steuereinnahmen stagnieren, während die Ausgaben der Städte und Gemeinden weiter steil ansteigen.

Künftig ist wegen der angespannten Wirtschaftslage ein rückläufiges Steueraufkommen zu erwarten. Die Steuereinnahmen können wegen der staatlichen Entlastungsmaßnahmen zurückgehen, etwa aufgrund des Inflationsausgleichsgesetzes (Abmilderung der kalten Progression). Das Wachstumschancengesetz wird mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem Rückgang bei der Gewerbesteuer führen.

„Was wir alle persönlich im Geldbeutel empfindlich spüren, trifft auch die Kämmereien: Wegen der Inflation bekommt man für den Euro weniger Waren und Leistungen als vor einem Jahr“, sagt Buckenhofer. Die Inflation schränkt Spielräume bei kommunalen Investitionen deutlich ein. Aktuell verzeichnen Bayerns Städte und Gemeinden einen massiven Anstieg bei den Ausgaben um mehr als 10 Prozent. Im Jahr 2024 verschärft sich die Situation wegen des Tarifabschlusses im öffentlichen Dienst und weiter steigenden Sozialausgaben.

Das Umfeld entwickelt sich für die kommunalen Kämmereien zunehmend beunruhigend.
Steigende Personalausgaben (+ 7 Prozent), enorme Kostensteigerungen nicht zuletzt aufgrund der Energiepreise, bei Verwaltungs- und Betriebsaufwand (+ 11 Prozent) und im Baubereich (+ 14 Prozent) belasten die Kommunalhaushalte ebenso wie wachsende Sozialausgaben (+ 9 Prozent). Mehrbelastungen entstehen aufgrund der Kosten der Unterkunft für Geflüchtete und Leistungen für Lebensunterhalt und Krankenhilfe. Bei den Sozialausgaben legten vor allem die Leistungen der Sozialhilfe (+ 19 Prozent) zu, hier sind besonders die 25 kreisfreien Städte in Bayern betroffen (+ 41 Prozent). Und damit nicht genug: Viele zusätzliche Aufgaben und Ausgaben werden in den nächsten Jahren den Kommunen zugewiesen, wie der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder, sowie Investitionen in Klimaschutz, Klimaanpassung und Wärmeplanung.

Buckenhofer: „Die allgemeine Finanzausstattung der Kommunen muss auf die Tagesordnung, damit die soziale, schulische, gesundheitliche und technische Infrastruktur in unserem Land gewährleistet bleibt – in ländlichen Räumen ebenso wie in Städten und Ballungszentren. Nötig wäre insbesondere eine deutliche Erhöhung der kommunalen Steueranteile, um den Kommunen mehr finanzielle Planungssicherheit und Flexibilität zu geben. Leider ist der kommunale Finanzausgleich 2024 hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Die Finanzprobleme der Kommunen werden zunehmend bald die Bürgerschaft und die regionale Wirtschaft zu spüren bekommen, denn: Fehlende Mittel bedeuten, dass Städte und Gemeinden dringende Investitionen in die Infrastruktur mit Straßen und Wegen, in Kitas und Schulen strecken, schieben oder streichen müssen.“

Als massive Belastung erweisen sich zudem die Defizite der Krankenhäuser, welche die Städte derzeit mit steigenden Beträgen ausgleichen müssen. Buckenhofer: „Es ist eine dramatische Fehlentwicklung, wenn regionale Gesundheitsversorgung aus städtischen Haushalten am Leben erhalten werden muss. Kommunen dürfen nicht zu Ausfallbürgen werden, die Defizite übernehmen müssen. Bund und Länder müssen schnell handeln, um die Herausforderungen in der Krankenhauslandschaft zu beheben.“

Generell wird künftig in vielen Bereichen ein Umdenken erforderlich sein. Buckenhofer: „Den Kommunen dürfen nicht mehr laufend neue Aufgaben und Rechtsansprüche aufgebürdet werden, ohne dass die vollständige Übernahme der Sach- und Personalkosten gesichert ist. Außerdem ist dringend der Abbau bürokratischer Hürden erforderlich. Und schließlich werden die Entscheidungsträger gezwungen sein, sich künftig verstärkt auf das Wesentliche zu fokussieren. Das ist sicherlich kein leichter Weg, den wir aber vor dem Hintergrund des demografischen Wandels als Gesellschaft gemeinsam gehen werden müssen.“

Defizite der Krankenhäuser verschärfen die Krise der Kommunen
„Die Existenz vieler Krankenhäuser ist akut bedroht, weil die Defizite nicht mehr ausgeglichen werden können. Seit 2019 mussten viele kreisfreie Städte hohe Summen aufbringen, um das Eigenkapital ihrer Kliniken zu stärken. Trotzdem hat sich die Finanzlage der Krankenhäuser weiter verschärft, eine enorme Defizitwelle baut sich auf. Viele kreisfreie Städte sind kaum mehr in der Lage, weiterhin die Defizite ihres Krankenhauses finanziell zu tragen.

Bei den Landkreisen wirken sich die Mehrbelastungen massiv auf die Kreisumlagen aus: Als Folge entstehen enorme Löcher auch in den Haushalten der kreisangehörigen Städte und Gemeinden“, sagt der Geschäftsführer des Bayerischen Städtetags, Bernd Buckenhofer. Die Gefahr steigt, dass Städte und Gemeinden keine genehmigungsfähigen Haushalte mehr aufstellen können, warnt Buckenhofer: „Wenn Städte und Gemeinden keine Haushalte mehr aufstellen können, sind sie nicht mehr handlungsfähig. Freiwillige Angebote für Bildung und Kultur, Sport und Vereinsleben können nicht mehr im bisherigen Umfang unterstützt, zum Teil dringend erforderliche Investitionen in Straßennetz, Fuß- und Radwege, Schul- und Kita-Bauten nur mit Verzögerung oder gar nicht mehr geschultert werden. Neben Baumaßnahmen oder Sanierungen stellen sich gewaltige Herausforderungen für Integration, Energiewende, Klimaschutz, Digitalisierung, öffentlichen Nahverkehr und Gestaltung des demografischen Wandels.“

Buckenhofer: „Seit über einem Jahr warnen die kommunalen Spitzenverbände vor der Gefahr des Krankenhaussterbens. Wenn Bund und Länder nicht schnell helfen, besteht für Krankenhäuser die Gefahr der Insolvenz und Schließung.“ Die Krankenhaus-Reform des Bundes muss die strukturelle Unterfinanzierung beenden und die Finanzierung auf eine sichere Basis stellen. Ohne Zweifel sind Reformen notwendig, diese müssen aber strukturiert und konstruktiv erfolgen. Darüber hinaus müssen Bund und Länder die Defizite der Krankenhäuser, die eine ganze Region weit über die Stadtgrenze hinaus versorgen, dauerhaft auffangen. Buckenhofer: „Die gefährliche finanzielle Schieflage ist nicht nur strukturell bedingt, sondern auch Folge der Inflation sowie höherer Kosten für Medikamente, medizinisches Material, Gerätschaften und steigender Energiepreise – dies alles kann über die Fallpauschalen nicht ausreichend refinanziert werden. Hinzu kommt die Frage des Personals.

Wegen des Personalmangels müssen teilweise Stationen schließen, so dass weniger Patientinnen und Patienten aufgenommen werden können.“ Die Kommunen müssen hohe Beträge zuschießen, um die medizinische Versorgung der Menschen sicherzustellen, sagt Buckenhofer: „Die traurige Realität zeigt: Kommunen sind zu Ausfallbürgen geworden, die Defizite ausgleichen. Das darf nicht sein. Der Bund muss seiner Pflicht nachkommen, die Betriebskosten für Krankenhäuser sicherzustellen. Der Freistaat muss seiner Verantwortung für die Krankenhausplanung gerecht werden. Wenn nicht sofort gehandelt wird, werden einige Kliniken die Ergebnisse der geplanten Krankenhaus-Reform nicht mehr erleben.“

Text: Bayerischer Städtetag 

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